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Impulse / Ent-Wicklung

Autorenbild: Claudia ErzbergerClaudia Erzberger

Aktualisiert: 16. Nov. 2020

Höher. Weiter. Schneller. Jung. Dynamisch. Leistungsstark.

Ziele die wir häufig hören. Ziele die uns wirklich wachsen lassen, die uns größer und zufriedener machen?

In der aktuellen Situation fühlen wir uns häufig eingeschränkt. Eingeschränkt in unserer Entwicklung - berufliche Projekte liegen auf Eis, wir können nicht in´s Fitness-Studio, nicht auf Reisen, können uns nicht im Außen profilieren. Auch ich war betroffen und so hat sich mein Herzensprojekt in den Bergen um mindestens 1 Jahr verschoben. Aber ist der aktuelle Slow-Down wirklich eine Bremse oder nicht viel mehr ein Katalysator für unsere eigene Ent-Wicklung?


Ganz einfach gesagt, verstehen wir unter persönlicher Entwicklung zunächst die Entfaltung von unseren körperlichen und psychischen Merkmalen. Aber so einfach ist es wahrscheinlich nicht.

Mal ganz von vorne angefangen - wie bin ich der Mensch geworden, der ich geworden bin? Wer und was hat zu meiner Entwicklung beigetragen?


Das schwelgen in Omas Jugendfotos und der Blick auf meine Eltern genügt, um zu erkennen, dass ich ein Teil von ihnen bin, dass ich da irgendwie dazugehöre, zu dieser Familie. Zu leugnen ist es nicht. Neben diesen Äußerlichkeiten hat mir meine Familie aber ganz bestimmt noch Vieles mehr mit auf den Weg gegeben - ein schönes, gefülltes Paket für meine eigene Entwicklung.


Und so lassen sich in diesem Paket unter anderem ein paar Werte finden. Ich erinnere mich noch gut an meinen Großvater - im Sessel vor seiner Bücherwand - belesen, stark in seiner Meinung, ohne damit zu prahlen. Und auch wenn ich ihn als Kind immer etwas unnahbar erlebte, so hat er mir doch vermittelt, dass nichts auf der Welt das Wissen in unserem Kopf ersetzen kann. Materielles sei nebensächlich, denn alles was wir in uns tragen, kann uns niemand mehr nehmen. Es ist da, gibt uns Sicherheit und trägt uns durchs Leben, mehr braucht es nicht. "Reden ist Silber - Schweigen ist Gold" höre ich ihn noch sagen. Und am Ende zählt doch mehr das Sein als der Schein. Ihm war es wichtiger einen Charakter zu prägen, statt Anpassung zu fördern. Wahrscheinlich mehr aus einer Angst heraus habe ich mich als Kind konsequent verweigert ihm die Hand zur Begrüßung zu geben. Es war immer Thema, aber ich wusste im Grunde seines Herzens ist er stolz auf mich. Stolz, dass ich Haltung zeige. Ebenso meine Großmutter - eine sehr elegante Frau, die definitiv immer Haltung bewies und sehr würdevoll durchs Leben schritt. Ganz klar sind dies nur kleine Anekdoten der Vergangenheit und doch hat jede einzelne Szene einen kleinen Samen gesät.

Wie gerne erinnere mich auch an all die Wärme und Geborgenheit die ich bei meinen Großeltern verspürte. Mein Opa, mit dem ich jeden Morgen neugierig zum Hühnerstall bin, um zu schauen wieviele Eier wohl zu holen sind. Der mir den Kakao durchs Sieb gegossen hat, damit ich die Haut nicht trinken muss. Der mir das Brot auf dem Brotzeitbrett geschmiert und in Streifen geschnitten hat. Dem ich abends seine Tabletten ins Schachterl sortieren durfte und der am nächsten Morgen mit mir Radeln war. Auf dessen Schoß ich die Fische im Aquarium beobachtet habe und den Hund mit meinen Fruchtzwergen fütterte. Meine Oma, die gefühlt täglich Semmelknödel kochte. Mit der ich von Bauernhof zu Bauernhof geschlendert bin, von einer Nachbarin zur nächsten. Die sich von den Kühen übers Gesicht hat schlecken lassen und so herzhaft lachen konnte. Die stundenlang mit mir gemalt hat, mir heimlich Schokolade zusteckte und mich fest in ihren Armen hielt. Irgendwie war sie immer da, ganz nah. Dieses Gefühl berührt mich noch heute - ich kann es spüren, es ist da und fehlt mir zugleich. Viel zu früh musste ich darauf verzichten, viel zu früh sind sie gegangen. Mir ist klar, dass all dies meine subjektiven und natürlich auch kindlichen Wahrnehmungen sind, es nicht die ganze Wahrheit ist - und dennoch kann ich es spüren, dieses reine Gefühl von Herzenswärme und Geborgenheit. Sie haben es mir mitgegeben und ich kann es weitergeben - so hoffe ich zumindest. Ob ich dies nun gelernt oder geerbt habe - ganz gleich. Es ist ein schöner Gedanke, dass ein Teil von allen 4en in mir steckt - ihr Gemüt, ihr Temperament und ihre Werte. Alles ein Teil meiner Entwicklung ist.


Dies mag sich nun alles ganz wunderbar und unbeschwert anhören - und ja, diese Seite gibt es definitiv. Doch gleichzeitig verbirgt sich hinter jeder Sonnenseite auch der Schatten. Und so sagte meine Mutter erst kürzlich zu mir: "Emotionen sind deine größte Stärke und Schwäche zugleich." Ja - aber auch das ist wohl weniger Schwäche als vielmehr Teil meiner Entwicklung. Und so gab es neben all den positiven Einflüssen natürlich auch die schmerzlichen - sicher nie beabsichtig, sicher wieder subjektiv. Aber es gibt sie. Sie sind da. Sie sind spürbar, zumindest für mich. Und diese inneren Überzeugungen die daraus für mich entstanden sind, galt es erstmal zu erkennen und aufzulösen - denn sie führten auf vielen Ebenen in meinem Leben dazu, die Bestätigung im Außen, statt im Innen zu suchen.


Die Grundlage unserer persönlichen Entwicklung sehe ich somit in der Ent-Wicklung unserer Geschichte, unserer Prägungen und Erfahrungen. Wir sollten uns all dem zuwenden, unserem Gedankenknäul im Kopf, unserem Gefühlswirrwarr im Herzen: aufwickeln, aufdröseln, erkennen, erleben, verstehen und sortieren. Warum ziehen wir immer wieder die gleichen Menschen an? Warum stehen wir immer wieder vor ähnlichen Herausforderungen? Warum triggern uns bestimmte Szenen? Warum zeigen wir immer wieder gleiche Verhaltensmuster - was wollen wir damit erreichen? Doch statt immer mehr desselben zu tun - ist es an der Zeit, sich selbst zu ent-wickeln, alte Wunden zu heilen. Statt zu sagen: "Warum passiert mir dies immer wieder?" können wir uns auch fragen: "Was darf ich daraus lernen? Was habe ich noch nicht für mich gelöst?" Ich will damit nicht sagen, dass wir keine unangenehmen Gefühle mehr haben werden, aber wir tappen nicht immer wieder in die gleichen Fallen. Wir werden erkennen was uns gut tut, werden für uns einstehen und werden die Menschen in unserer Leben lassen, die uns bereichern, inspirieren und wärmen. Wir müssen nicht mehr kompensieren, uns etwas beweisen oder uns vor etwas schützen. Klar, auch ich finde immer wieder Knoten in meiner eigenen Ent-Wicklung, gelöst ist noch lange nicht alles. Wird es wahrscheinlich nie. Macht auch nichts. Es ist ein spannender Prozess, dem ich mich immer wieder neugierig zuwende. Menschen, Situationen, Begebenheiten bringen ab und an mal wieder alles durcheinander, stellen alles auf den Kopf, verwirren oder stoßen mich auf festgezogene Knoten. Dann darf ich wieder etwas lernen und lösen - für mich.

Höher. Schneller. Weiter. Status und Leistung liefern uns demnach keinerlei Auskunft über unsere Entwicklung. Eine positive Entwicklung liegt in einem gelösten, ent-wickelten Inneren - denn dann werden wir uns spüren, können klar sehen und die Dinge anziehen die wir brauchen, die uns Kraft und Energie geben - für unsere ganz eigene Entfaltung und Fülle. Wie viele mag sich auftun, entstehen und entwickeln...seid gespannt! Ent-wickelt euch selbst.

...and let the macig happen. :-)


Die Frage mag kommen: "Is ja ganz nett, aber wie?"- Die Antwort ganz einfach: "Slow Down". Mein Opa war nicht am Handy während er mit mir am Aquarium saß, meine Oma war einfach nur bei mir während wir durchs Dorf geschlendert sind. Sie waren präsent, ich konnte sie spüren. Die aktuelle Zeit können wir genau dafür nutzen - uns selbst wieder zu spüren - indem wir uns Zeit für uns nehmen. Es mag sich nicht immer gut anfühlen - sind wir doch sonst immer im Außen, abgelenkt von Reizen auf der Flucht vor uns selbst. Doch wenn wir uns spüren, jetzt und im Moment, werden wir wissen, was wir brauchen.

Und so wird sich paradoxer Weise im Slow-Down - in unserer eigenen Entschleunigung - so manche Ent-Wicklung beschleunigen.


Fast 28 Jahre nach dem Tod meines Opas habe ich diesen Spatz in Portugal gefunden. Mit diesem Spatz - nicht genau mit diesem, aber mit dem gleichen - hat mein Opa jeden Tag sein Bier geöffnet. Ich erinnere mich so gut. Und es ist ein so gutes Beispiel, dass wenn wir nur wachsam und achtsam sind, wir die schönsten Dinge finden. Ich war erst 9 als er gestorben ist - aber er ist da, auch heute noch, nach 28 Jahren. Ist er so lebendig - in mir, in dem Rest meiner Familie. Jeder hat seine eigenen Erfahrungen mit ihm gemacht, in jedem hat er etwas ausgelöst, jeder wird wieder etwas weitergeben. Eine nie endende Entwicklung. Danke Opa. Und Oma auch.









PS: Aprops Spatz - kleiner Teaser: ab 2021 wird es vogelwild und das Outdoor-Projekt kann hoffentlich starten und sich wundervoll entwickeln.


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